Es ist der ganz große Auftritt von Mario Adorf als Fabrikant Heinrich Haffenloher in der wunderbaren TV-Serie „Kir Royal“ um den Münchner Klatschkolumnisten Baby Schimmerlos: „Ich kauf dich einfach. Ich kauf dir ´ne Villa, da stell ich dir dann noch ´nen Ferrari davor. Deinem Weib schick ich jeden Tag ´nen Fünfkaräter. Ich schieb es dir hinten und vorne rein. Ich scheiss´ dich sowas von zu mit meinem Geld, dass du keine ruhige Minute mehr hast. Ich schick dir jeden Tag Cash – im Koffer. Das schickste zurück – einmal, zweimal, vielleicht sogar ´n drittes Mal. Aber ich schick´ dir jedes Mal mehr... und irgendwann kommt dann nun einmal der Punkt, da biste so mürbe und so fertig und die Versuchung ist so groß, dann nimmstes. Und dann hab´ ich dich. Dann gehörste mir. Dann biste mein Knecht. Dann mach´ ich mit dir watt ich will.“ (Nachzuhören unter diesem Link.)
Dieses Bild wird auch heute noch gerne im Vorabendprogramm der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender bemüht, wenn es um die politische Einflussnahme von Unternehmerinnen und Unternehmern geht. Doch die Mär vom die eigenen Interessen verfolgenden Firmen-Clan wird durch ständige Wiederholung nicht zutreffender. Im aktuellen Deutschen Bundestag sind 51 der 735 Abgeordneten Firmenchefs oder –chefinnen. Im Vorgängerparlament waren es noch 76 von 709 Abgeordneten. Nicht eingerechnet sind Selbständige wie Rechtsanwälte oder Ärzte. In den kommunalen Parlamenten – in Städte- und Gemeinderäten, in den Kreis- und Landtagen – sieht die Beteiligung nicht besser aus. Dennoch überlebt das Bild vom ewig mauschelnden und klüngelnden, in jedem Fall seine Interessen wahrenden „Strippenzieher“.
Dabei wäre mehr „unternehmerischer Sachverstand“ in unseren politischen Gremien durchaus wünschenswert. Es geht schließlich um Gestaltung und die dafür nötigen finanziellen und organisatorischen Mittel. Wer könnte dies besser – und vor allem ohne großen Bürokratieaufwand – in die Wege leiten als mittelständische Firmenlenker? Doch Firmen wirken offensichtlich auch ohne aktive Beteiligung in den politischen Raum hinein. Eine bemerkenswerte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft weist eine frappierende Korrelation zwischen der lokalen Existenz von Familienunternehmen – und damit der in den jeweiligen Wahlkreisen wohnenden Beschäftigten – und dem Wahlverhalten nach.
Die Studie erklärt mit wissenschaftlich stichhaltigen Methoden das gute Abschneiden von FDP und Union in Wahlkreisen mit einem hohen Anteil an Familienunternehmen: „Bei einer höheren Lebenszufriedenheit dürften Parteien aus dem konservativ-liberalen Spektrum profitieren – und dementsprechend die SPD verlieren.“ Die Autoren schlussfolgern weiter: „Es ist denkbar, dass die Arbeitsplatzsicherheit in Familienunternehmen höher ist oder als höher empfunden wird. Entsprechend würde die soziale Absicherung bei der Wahlentscheidung in den Hintergrund treten. Arbeitnehmer in Familienunternehmen mögen zudem eine höhere Lebenszufriedenheit aufweisen, wenn sie sich stärker mit ihrem Arbeitgeber identifizieren oder wenn das Familienunternehmen durch gesellschaftliches Engagement die Lebensqualität vor Ort erhöht.“
In einer Studie des Stifterverbands zeigt sich, dass Unternehmen ganz allgemein politischer werden. Der Begriff der Corporate Political Responsibility“ – also der aktiven Wahrnehmung politischer Verantwortung – gewinnt an Bedeutung. Das zeigt sich in vielen Facetten. So ist die Weigerung eines niederländischen Unternehmens, Rollrasen für die Fußball-Weltmeisterschaft in Qatar zu liefern, legendär. „Neben dem gut geführten Unternehmen, das erfolgreich agiert, professionalisiert sich immer mehr auch die ökologische und soziale Positionierung“, fassen die Autoren in ihrem Diskussionspapier zusammen. Sie stellen allerdings auch fest, dass „die Firmenlogos nicht überall in Regenbogenfarben erstrahlen“. Oder wie es das Handelsblatt in einer Kommentierung formuliert: „Die Konzerne zeigen ihre politische Haltung nur in jenen Ländern, in denen es ihnen kommerziell nicht wehtut."
Aber dennoch: Immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer zeigen Haltung. Das hat in Familienunternehmen, die mit ihrer Kommune, mit ihrer Region aufs engste verbunden sind, Tradition. Es zeigt sich aber mehr und mehr in politischen Aktivitäten, die über die sogenannten ESG-Kriterien – also Environment, Social, Gouvernance – hinausgehen. Als Microsofts Präsident Brad Smith zusammen mit Bundeskanzler Olaf Scholz das Investment von 3,2 Milliarden Euro in Deutschland bekanntgab, ging es nicht nur um den Bau von Hyperscalern und die Qualifizierung von Menschen in Sachen KI. Es ging auch um „das Vertrauen in Deutschland“, wie es hieß. Wenige Tage später, als ein vergleichbares Engagement in Spanien angekündigt wurde, war Brad Smith sogar noch deutlicher: „Unsere Investition geht über den Bau von Rechenzentren hinaus. Sie ist ein Beweis für unser 37jähriges Engagement in Spanien, für die Sicherheit des Landes, die Entwicklung und die digitale Transformation in Spanien, für die Unternehmen und die Bevölkerung.“
Dass ein Konzern einem Land gute Noten attestiert, ist in der Tat eine neue Phase in der politischen Beteiligung von Unternehmen. Inzwischen geht Microsoft sogar noch weiter und unterstützt im vielsprachigen Indien die Beteiligung der Bevölkerung an der Bildungsgesellschaft, indem dort KI-gestützte Übersetzungswerkzeuge für praktisch jeden indischen Dialekt bereitgestellt werden. In Australien und Neuseeland hat Microsoft zusammen mit lokalen Organisationen das gewinnorientierte Unternehmen Indigital gegründet, das sich im indigenen Besitz befindet. Indigital nutzt digitale Technologien wie künstliche Intelligenz, erweiterte oder gemischte Realitäten als Weg, um das indigene Erbe zu erlernen und es nutzt die Kultur der First Nations, um digitale Fähigkeiten als Weg in die Zukunft der Arbeit zu vermitteln. Das beginnt bereits in den Schulen, wo indigene und nicht-indigene Kinder die Chance haben, kulturelles Wissen, ihre Geschichte und ihre Sprache zu lernen, während sie gleichzeitig digitale Fähigkeiten in Spitzentechnologien wie Augmented Reality und Coding erlernen.
Überall auf der Welt greifen Tech-Unternehmen immer tiefer in die politische Gestaltung der Länder ein, in denen sie aktiv sind. Es ist eine Entwicklung, die jeder Unternehmer, jede Unternehmerin für sich entdecken sollte. Mario Adorfs Heinrich Haffenloher hatte nur seine persönlichen Interessen im Blick. Aber das Unternehmertum von heute verbindet seine kaufmännischen Ziele mit den Interessen des Gemeinwohls – und greift dabei der oft hilflosen oder zumindest glücklosen Politik unter die Arme. Mehr unternehmerischer Sachverstand muss sich nicht auf Parlamente beschränken. Die Zahl der möglichen Initiativen ist riesig – von A wie Aufforstung bis Z wie Zukunftssicherung. Deshalb: Werdet politischer!
Ich weiß aus meinem persönlichen Umfeld, dass mittelständische Unternehmer dazu neigen, ihr soziales und politisches Engagement eher im Verborgenen auszuüben und viele großherzige Initiativen kaum oder gar nicht erwähnt haben wollen. Das halte ich in diesen Zeiten für nicht richtig. Schreiben Sie mir von Ihren politischen Aktivitäten und sozialen Initiativen. Wir brauchen eine Plattform für diese Leistungen. Deshalb noch einmal: Werdet politischer!