Man möchte reflexartig einen kleinen Skandal wittern: Nach nur drei Jahren im Amt verlässt Marianne Janik nicht nur den Posten der Deutschlandchefin bei Microsoft. Anders als ihr Vorvorgänger im Amt, Ralph Haupter, der vom Deutschlandchef zum Europachef avancierte, kehrt Marianne Janik dem Microsoft-Konzern fürs erste den Rücken und wandert in Richtung einer noch nicht näher benannten Adresse ab. Doch der Wechsel an der Spitze einer Landesgesellschaft hat bei Microsoft Methode. Schon Janiks Vorgängerin Sabine Bendiek, die vor drei Jahren den Chefposten in München in Richtung SAP verließ, war lediglich drei Jahre bei Microsoft im Amt.
Den Vorstandssitz als SAP-Arbeitsdirektorin hat Sabine Bendiek allerdings inzwischen auf eigenen Wunsch auch schon wieder geräumt. Ohnehin gilt diese Führungsposition im Personalsektor bei SAP als Schlangengrube. Auch die Vorgänger von Sabine Bendiek hielten es dort nicht lange aus. Offiziell ging alles immer einvernehmlich vonstatten. Inoffiziell munkelt man dagegen, dass der Wandel des Walldorfer Softwarekonzerns zur Cloud Company personell nur äußerst schwierig zu orchestrieren sei.
Verknöcherte Strukturen und das Festhalten an ihnen sind der wesentliche Hinderungsgrund für eine innere Erneuerung eines Unternehmens. Diesen Zwang zur Veränderung in Richtung Cloud und – als Konsequenz daraus – zu einer KI-gestützten Tech-Company müssen derzeit alle Unternehmen bitter bezahlen, wenn sie zu spät dran sind. Denn das Management für dieses Change Management ist rar gesät. Doch ohne Hinwendung zu digitalen Geschäftsmodellen und KI-gestützten Analysen geht selbst den Champions der Marktvorsprung verloren. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Wer zu spät geht, den bestraft die Zukunft.
Beim Change Management handelt es sich um eine sehr spezielle, aber in ihren Auswirkungen extrem zukunftsorientierte Form des Fachkräftemangels. Denn angesichts der Tatsache, dass praktisch jeder Geschäftsprozess heute in Software gegossen ist und jede Erkenntnis spätestens morgen mithilfe von künstlicher Intelligenz gefördert wird, verlangt der Wandel in die Cloud und den aus ihr bereitgestellten KI-Leistungen neue rar gesäte Management-Qualitäten, ebenso wie auch die Energiewende, der Klimawandel oder New Work mit variablen Arbeitszeitmodellen kürzeren Arbeitszeiten und einer völlig neu interpretierten Work/Life-Balance. Das alles ist keine leichte Aufgabe – erst Recht nicht, wenn man sich dem Wandel standhaft entgegensetzt oder zu lange mit der Nachfolge zögert.
Doch während die internationalen Konzerne sich vergleichsweise leicht tun, frische Kräfte ins Unternehmensmanagement zu holen, sieht sich der Mittelstand in einer schon seit langem grassierenden Nachfolgekrise. Jeder dritte mittelständische Unternehmer ist laut einer aktuellen Studie der KfW bereits heute über 60 Jahre alt. Danach sind derzeit bereits zwei von fünf von ihnen dabei, die Firmengeschicke in jüngere Hände zu geben.
Nur zwei von Fünf: Wenn jetzt – nur um ein typisches Beispiel zu nennen – der Trigema-Chef Wolfgang Grupp mit 81 Jahren die Verantwortung für den Burladinger Trikotagenbetrieb unter großem Werbe- und Medienaufwand an seine Frau und seine Kinder übergibt, die schon lange im Betrieb aktiv sind, dann zeigt dies auch, dass Loslassen ein schwieriges Element des Change Managements ist. Dies sei bei allem Respekt gegenüber der unternehmerischen Leistung von Wolfgang Grupp einmal festgestellt. Ich selbst habe mein Unternehmen möglichst früh, aber immerhin doch im Rentenalter, in jüngere Hände gegeben und dabei die Chance gesucht, neue Kräfte, neues Kapital, aber eben auch neuen Zeitgeist ins Unternehmen zu holen.
Vielleicht lässt sich konstatieren, dass Microsoft-Gründer Bill Gates ein wenig zu spät die Geschicke des Softwarekonzerns in andere Hände gegeben hat und dadurch, dass sein Nachfolger aus dem eigenen Microsoft-Dunstkreis aufstieg, eben genau kein Change Management in Gang gebracht hatte. Als der aus Indien stammende Satya Nadella das Heft vor zehn Jahren in die Hand nahm, war dies zwar auch eine Person mit erheblicher Microsoft-Vergangenheit – doch sein Kulturkreis und seine Sozialisierung unterschieden sich fundamental von der eines Gates oder Ballmers.
Für den deutschen Chefposten hat sich Microsoft erstens wieder für eine Person entschieden, die von außen, ja sogar von der Konkurrenz kommt. Und zweitens hat sich Microsoft erneut für eine Frau entschieden: Agnes Heftberger, die 20 lange Jahre bei IBM verbracht hat, wo sie unterschiedliche Führungspositionen in Deutschland, EMEA und in Asien innehatte. Gerade ihre Perspektive aus Down Under könnte – und sollte – hier einiges auf den Kopf stellen können. Microsofts Prinzip der Häutung alle drei Jahre könnte ein Beispiel auch für den Mittelstand sein. Es muss ja nicht gleich ein Eigentümer-Wechsel sein, aber mehr Fluktuation im Management kann ja nicht schaden.
Change Management im Management ist dann vorprogrammiert.