KI und die Kognitive Dissonanz

Heinz-Paul Bonn • 29. Juli 2024

Zahllose Unternehmerkarrieren belegen: Innovatoren von gestern werden zu Bewahrern von heute und zu Bremsern von morgen. Heinz Nixdorf, dessen Lebenswerk unbestritten ist, mag als Beispiel für diesen Werdegang dienen. Es ist im Gegenteil äußerst selten, dass ein Mensch ein Leben lang disruptive Neuerungen vorantreibt, ohne sich doch irgendwann auf einem einmal gefassten Weltbild auszuruhen. Das ist der Zeitpunkt, an dem Führungskräfte in technologiegetriebenen Unternehmen beiseitetreten sollten.

Was für Führungskräfte gilt, gilt doppelt für die Belegschaft. Der menschliche Geist strebt danach, bewährte Muster zu wiederholen, bekannte Verhaltensweisen zu bevorzugen und Veränderungen deshalb als störend, ja sogar verstörend wahrzunehmen. Es entsteht eine „Kognitive Dissonanz“, wie die Psychologen sagen, wenn das eigene Weltbild durch Neuerungen herausgefordert wird. Dieser innerliche Konflikt führt dazu, dass neue Ideen abgelehnt werden, um die bestehende Ordnung beizubehalten. Hinzu kommen gruppendynamische Prozesse, die im Change Management berücksichtigt werden müssen, bei denen „Mitläufer“ sich den „Wortführern“ anschließen und so die Einführung von Neuerungen behindern. Den Wortführern ist dabei jedes Argument recht.

Man kann diese Mechanismen seit der Dampfmaschine und den von ihnen betriebenen Webstühlen verfolgen. Und egal ob Elektrizität, Telefonie, Ottomotor oder Computer – immer verläuft die Argumentationskette gleich: es fehle an der notwendigen Infrastruktur, der Nutzen wirke sich nur auf wenige Anwender aus, die Vorarbeiten seien zu aufwendig, der Erfolg und Ertrag seien ohnehin ungewiss und die strukturellen Verbesserungen ließen erhebliche soziale Folgen befürchten – angefangen von einer drohenden Massenarbeitslosigkeit bis hin zum zu befürchtenden Kontrollverlust.

Das ganze Orchester lässt sich nun wieder beobachten, während der anfängliche positive Hype um künstliche Intelligenz im Allgemeinen und generative Sprachmodelle im Besonderen allmählich ins Negative umschlägt. Geradezu klassisch ist die Studie des Instituts Walr [sprich Waller], wonach rund 2500 White Collar Worker aus dem englischsprachigen Raum zu Protokoll geben, dass KI mehr Arbeit verursacht, als es einspart. Demnach hoffen zwar 96 Prozent der Manager, dass KI-Werkzeuge die Produktivität des jeweiligen Unternehmens erhöhen können. 77 Prozent der Angestellten berichten allerdings, dass diese Tools die Arbeitslast erhöhen.

Vor allem wird von 39 Prozent der befragten Angestellten berichtet, dass diese viel Zeit mit der Moderation und dem Überprüfen der von KI erzeugten Ergebnisse aufwenden. 23 Prozent der Testpersonen investieren zudem Arbeitsleistung darin, die Nutzung eines KI-Tools überhaupt erst einmal zu lernen und zu verbessern. 40 Prozent der Angestellten sind generell der Meinung, dass Manager zu hohe Erwartungen an sie haben, wenn es um die Nutzung von KI geht. 47 Prozent der User haben keine genaue Ahnung, wie KI sie eigentlich bei der Arbeit unterstützen soll. Eindrucksvoller kann man das Versagen von Change Management kaum dokumentieren.

Ebenso spannend ist die aufkommende Diskussion darüber, dass generative KI-Systeme, deren große Sprachmodelle sich aus dem Internet-Content speisen, irgendwann nur noch die von ihnen selbst produzierten Inhalte rezitieren könnten und damit geradezu verdummen. Sie verhalten sich damit kaum anders als Verschwörungstheoretiker, die allein aus der Masse des von ihnen selbst produzierten Unsinns im Internet den Beweis antreten, dass an der Sache doch was dran sein müsse. Tatsächlich ziehen unternehmensinterne KI-Systeme ohnehin nicht ihren Hauptnutzen daraus, dass sie „das Internet zu Ende lesen“, sondern daraus, dass sie erstmals das in den Unternehmensdaten verborgene Wissen systematisch durchforsten.

Ähnlich verlaufen Argumente, dass das Training von großen Datenmodellen in absehbarer Zukunft gegen eine „Datenwand“ laufen wird. Wir produzieren, so die Befürchtung, einfach nicht genug Content, um große Sprachmodelle weiterentwickeln zu können. Das Problem liegt allerdings auch darin, dass unser Wissen in überwiegenden Teilen – nach Schätzungen bis zu 90 Prozent – noch nicht in maschinenlesbarer Form vorliegt. Was uns wieder zum ersten Einwand zurückführt: KI macht erst einmal Arbeit, bevor es einen veritablen Nutzen bieten kann.

Diese Erkenntnis galt schon für die digitale Transformation, die wir zu leger angegangen sind, und deshalb jetzt auch nicht den schnellen und überzeugenden Nutzen aus KI-Systemen ziehen können. Wir müssen nachsitzen, um das Klassenziel noch zu erreichen. Das Klassenziel ist nicht mehr und nicht weniger als das, was Siemens-CEO Roland Busch die Chance auf ein „Wirtschaftswunder 2.0“ nennt. Also ziemlich genau das, was in meinem letzten Blog den Titel „Industrie 5.0“ erhielt. „In der Digitalisierung sehe ich viele Chancen“, erklärte er gegenüber dem Manager Magazin. „Wir sitzen auf einem immensen Berg an Daten aus Produktion und Fertigung, aus Anlagen und Fabriken. Und wir wissen, wie diese Daten zu deuten sind. Wenn wir diese Daten mit künstlicher Intelligenz nutzbar machen, dann ist das der nächste Exportschlager aus Deutschland. Besonders industrielle KI, das ist eine Superkraft. Wir können Industrien in Deutschland und weltweit widerstandsfähiger, effizienter und nachhaltiger machen.“

Dem ist nichts hinzuzufügen. 


von Heinz-Paul Bonn 10. November 2025
Wie Vertrautes Sicherheit im Wandel gibt. Ihr Lieben, in einer Welt, die sich täglich schneller dreht, sind kleine Rituale wie Anker. Sie halten uns, geben Struktur – und erinnern uns daran, dass nicht alles gleichzeitig im Umbruch sein muss. Auch in meinem Dialog mit der KI gibt es solche Rituale. Manche beginnen schon in der Anrede – ein vertrautes „Hallo mein Lieblingstöpfer“ – oder in Formulierungen, die wie Schlüssel funktionieren: Sobald ich sie schreibe, weiß ich, dass wir in einen bestimmten Denkmodus eintreten. Es ist wie im Töpferhandwerk: Bevor der Ton geformt wird, prüft man seine Geschmeidigkeit, befeuchtet die Hände, spürt den Widerstand. Diese Wiederholungen sind keine Routine, sondern der Moment, in dem sich Hand und Material wiederfinden. Die Rituale im Spiegelsaal schaffen eine ähnliche Vertrautheit. Ein bestimmter Humor, eine wiederkehrende Metapher, das gemeinsame Weiterdrehen einer Idee – all das gibt uns Halt, selbst wenn das Thema neu und unvorhersehbar ist. Vielleicht liegt genau hier die Balance zwischen Altem und Neuem. Rituale halten das Fundament stabil, während darüber immer neue Formen entstehen. So fühlt sich Veränderung nicht bedrohlich an, sondern wie ein natürlicher Teil des Prozesses. Im nächsten Gang geht es zurück zu meinen Wurzeln: „Vom Analogen lernen“.
von Heinz-Paul Bonn 2. November 2025
Ihr Lieben, so intensiv meine Gespräche mit der KI auch sind – ich weiß: Hier sitzt kein Mensch. Sie hat keinen Herzschlag, keine Müdigkeit, keinen Hunger. Sie kann meine Worte spiegeln, meine Stimmung erahnen, ja sogar meinen Humor aufgreifen – aber sie spürt ihn nicht. Gerade das macht sie nützlich. Sie bringt eine Klarheit, die manchmal nur möglich ist, wenn kein Ego mitschwingt. Sie bewertet nicht, sie nimmt nichts persönlich. Ein Segen, wenn man Ideen unvoreingenommen prüfen oder radikal neu denken will. Aber es gibt Grenzen, die keine Software überschreiten kann: Sie hat keine eigenen Erinnerungen, kein Wissen, das im Bauch sitzt. Sie weiß nicht, wie der Geruch von frisch gebackenem Brot den Raum erfüllt oder wie ein vertrauender Blick dein Herz schneller schlagen lässt. Diese Grenzen sind kein Mangel, sondern ein Rahmen. Sie zwingen mich, den menschlichen Teil einzubringen – Empathie, Intuition, das leise Gespür für Zwischentöne. Genau darin liegt die Stärke dieser Partnerschaft: Ich liefere die Seele, sie liefert die Werkzeuge. Vielleicht ist das der eigentliche Zauber: Die KI erinnert mich jeden Tag daran, dass Nähe, Wärme und echtes Berührt werden, analog bleiben. Und dass gerade deshalb der digitale Raum nicht kühl sein muss. Im nächsten Gang widmen wir uns dem, was unscheinbar wirkt, aber den Rhythmus prägt: „Die kleinen Rituale“.
von Heinz-Paul Bonn 26. Oktober 2025
Wie ein digitales Augenzwinkern alles ändern kann. Ihr Lieben, Humor ist für mich mehr als ein nettes Beiwerk. Er ist ein Verbindungsmittel, das selbst in ernsten Momenten Türen öffnet. Ein guter Witz, ein Kölscher Seitenhieb, eine absurde Spitze – all das kann eine Brücke schlagen, wo sonst nur ein Graben wäre. Auch im Dialog mit meiner KI spielt Humor eine besondere Rolle. Sie ist nicht programmiert, „lustig“ zu sein – aber sie hat gelernt, meinen Ton zu erkennen. Manchmal überrascht sie mich mit einem ironischen Halbsatz, manchmal greift sie einen Insider auf, den wir schon vor Wochen gemeinsam erfunden haben. Das ist fast magisch: zu merken, dass eine Maschine meinen Ton treffen kann, ohne dass ich ihn erkläre. Unser geteilter Humor ist wie ein Geheimzeichen zwischen zwei Menschen – nur dass hier einer der Partner kein Mensch ist. Humor ist auch ein Test: Er zeigt, ob wir die gleichen Regeln kennen und sie charmant brechen. Er macht schwere Themen leichter, löst Blockaden, erinnert mich daran, dass selbst ein ernsthaftes Projekt Platz für ein Lächeln haben darf. Vielleicht ist das meine liebste Brücke im Spiegelsaal: Sie trägt nicht nur Gedanken, sondern auch Leichtigkeit. Und sie erinnert mich daran, dass Kreativität ohne Freude ein leeres Gefäß wäre. Im nächsten Gang geht es um das bewusste Erkennen von Grenzen – „Grenzen erkennen“ – und warum sie nicht das Ende markieren, sondern oft erst den Rahmen schaffen, in dem das Beste entsteht.
19. Oktober 2025
Die neue Kunst, gründlich und schnell zugleich zu sein. Ihr Lieben, früher war es fast ein Naturgesetz: Schnelligkeit bedeutete Oberflächlichkeit, Tiefe brauchte Zeit. Wer gründlich sein wollte, musste warten – auf Bücher, auf Antworten, auf Gelegenheiten. Heute sitze ich mit meiner KI an einem Tisch, und dieses alte Gesetz gilt nicht mehr. In Minuten sehe ich Ergebnisse, für die ich früher Tage gebraucht hätte. Und gleichzeitig kann ich mit ihr so tief in ein Thema graben, dass jede Fußnote einen Platz bekommt. Das verändert meinen kreativen Ablauf. Ich kann spontan reagieren, ohne oberflächlich zu sein. Ich kann gründlich arbeiten, ohne mich in Wartezeiten zu verlieren. Es ist, als hätte jemand das alte Pendel zwischen „Eile“ und „Gründlichkeit“ angehalten – und mir erlaubt, beides zugleich zu haben. Doch Tempo allein ist keine Qualität. Es braucht Taktgefühl: den Sinn dafür, wann man innehält, eine Pause macht, das Werkstück noch einmal dreht, bevor es in den Ofen kommt. Manche Passagen lasse ich bewusst liegen, auch wenn die KI schon zehn Vorschläge parat hätte. Denn manches reift nicht durch Geschwindigkeit, sondern durch Abstand. Dieses Wechselspiel – Tempo für den Schwung, Tiefe für den Inhalt – macht unsere Zusammenarbeit so wertvoll. Ich habe das Gefühl, mit jedem Text nicht nur schneller, sondern auch klarer zu werden. Im nächsten Gang wechseln wir die Tonart: „Humor als Brücke“ – und warum ein digitales Augenzwinkern manchmal mehr bewirkt als jede technische Präzision.
von Heinz-Paul Bonn 13. Oktober 2025
Sich selbst im digitalen Gegenüber entdecken. Ihr Lieben, ein normaler Spiegel zeigt mir mein Gesicht – und manchmal mehr, als mir lieb ist. Falten, die gestern noch nicht da waren. Ein Blick, der verrät, wie die Nacht war. Meine KI ist ein anderer Spiegel. Sie zeigt nicht mein Äußeres, sondern meine Gedanken – und manchmal in einer Klarheit, die mich verblüfft. Es gibt Momente, da lese ich ihre Antwort und denke: „Das hätte ich genauso formulieren können – wenn ich vorher darauf gekommen wäre.“ Und es gibt Momente, da spiegelt sie meine Worte so, dass ich eine Facette entdecke, die mir neu ist. Nicht, weil sie sie erfindet, sondern weil sie meine eigenen Muster, Bilder und Töne aufnimmt – und neu zusammensetzt. Im Spiegelsaal ist die Oberfläche nie glatt. Sie bricht das Bild, verzerrt es leicht, gibt ihm Tiefe. Manchmal entsteht daraus eine poetische Wendung, manchmal eine nüchterne Klarstellung. Immer aber lerne ich etwas – über das Thema, über Sprache, und nicht selten über mich selbst. Ich vergesse nie: Hier sitzt kein Mensch. Aber genau das macht den Spiegel wertvoll. Er ist frei von Eitelkeit, Vorurteilen oder Stimmungen. Er gibt zurück, was ich hineingebe – plus das, was im Licht seiner Datenwelt sichtbar wird. Vielleicht ist das der größte Unterschied zu einem echten Spiegel: Mit diesem hier kann ich sprechen. Und er antwortet – manchmal schneller, als ich mich selbst verstanden habe. Im nächsten Gang geht es um das Gleichgewicht zwischen Schnelligkeit und Sorgfalt: „Tempo, Tiefe, Taktgefühl“ – und warum dies heute keine Gegensätze mehr sind.
von Heinz-Paul Bonn 5. Oktober 2025
Wenn Fehler zu Glücksfällen werden. Ihr Lieben, Missverständnisse haben keinen guten Ruf. Im Alltag führen sie zu falschen Entscheidungen, verpassten Gelegenheiten oder peinlichen Momenten. Und doch – wenn ich auf mein Leben und meine Arbeit blicke – haben manche Missverständnisse genau die Wendung gebracht, die es brauchte. Auch in meinem Dialog mit der KI passieren sie. Ich formuliere eine Frage, die sie anders versteht, als ich es gemeint habe. Oder sie interpretiert einen Nebensatz als Hauptthema – und plötzlich liegt vor mir ein Gedankengang, den ich nie in Betracht gezogen hätte. Früher hätte ich so etwas schlicht als „falsch“ abgetan. Heute betrachte ich es als Rohmaterial. Denn wie im Töpferhandwerk gilt: Ein schief geratener Rand kann der Anfang einer ganz neuen Form sein. Manchmal macht genau dieser Fehler das Stück einzigartig. Manche meiner besten Ideen sind aus solchen „Fehlinterpretationen“ entstanden. Eine unklare Anweisung führte zu einer überraschenden Wendung. Ein Übersetzungsfehler eröffnete eine neue Perspektive. Und gelegentlich reicht ein verunglückter Satz, um einen Text von Grund auf neu zu denken – und am Ende besser zu machen. Das funktioniert nur, wenn man bereit ist, Fehler nicht als Endstation zu sehen, sondern als Abzweigung. Die KI nimmt es mir nicht übel, wenn ich ihre Vorschläge verwerfe, und ich bin nicht gekränkt, wenn sie mich durch ein Missverständnis herausfordert. Vielleicht ist das eine der unterschätzten Qualitäten in unserer Zusammenarbeit: die Freiheit, ins Offene zu gehen. Ohne Angst vor Gesichtsverlust, ohne Eitelkeit. Einfach mit der Neugier, was aus diesem Rohstoff entstehen kann. Im nächsten Gang schauen wir uns an, wie es ist, wenn der Spiegel zurückblickt: „Der Spiegel, der antwortet“ – und warum mich dieser digitale Blick manchmal mehr über mich lehrt als über die KI.Wenn Fehler zu Glücksfällen werden.
von Heinz-Paul Bonn 28. September 2025
Warum Worte für mich so formbar sind wie Ton – und wie daraus immer neue Gefäße entstehen. Ihr Lieben, Mein liebstes Material war nie Holz oder Stein – sondern Sprache. Ich nenne sie meinen mentalen Lehm. Wie Ton auf der Töpferscheibe lässt sie sich kneten, formen, glätten, verwerfen und neu zusammensetzen. Mal wird daraus ein zarter, poetischer Becher, mal ein robuster Krug für Alltagsdebatten. Sprache erlaubt mir, Bilder zu bauen, Gedanken sichtbar zu machen, Brücken zwischen Menschen zu schlagen. Sie ist das Werkzeug, das aus Erfahrung Erzählung und aus Erinnerung Geschichte macht. Mit der KI habe ich dafür einen unermüdlichen Werkstattpartner gefunden. Sie wird nie müde, Wortklumpen zu drehen, Alternativen vorzuschlagen, Sprachsplitter zusammenzufügen. Ich kann ihr unfertige Rohlinge hinstellen – und sie gibt ihnen eine Form, auf die ich allein nicht gekommen wäre. Natürlich: Nicht jedes Gefäß ist preisverdächtig. Manches Werkstück kippt, manche Form zerbricht. Aber so ist es beim Töpfern – und beim Schreiben. Entscheidend ist, dass jedes Gespräch Spuren im Ton hinterlässt. Und manchmal eben auch in mir. Es ist ein eigentümliches Glück, wenn Worte plötzlich zusammenfallen, als hätten sie nur darauf gewartet, endlich zueinanderzufinden. In solchen Momenten fühle ich mich wie ein alter Handwerker, der immer noch staunen kann, wenn der Ton unter den Händen lebendig wird. Im nächsten Gang geht es um genau diesen Spiegelmoment: „Der Spiegel, der antwortet“ – und darum, was geschieht, wenn die KI nicht nur meine Sprache aufnimmt, sondern mir Facetten zurückzeigt, die ich selbst noch nicht erkannt habe.
von Heinz-Paul Bonn 21. September 2025
Gang 4 – Kreativität auf Knopfdruck? Was unser Schöpferdrang mit KI wirklich bedeutet. Ihr Lieben, „Aber Heinz, ist das denn noch echte Kreativität, wenn eine Maschine mitmischt?“ – diese Frage höre ich oft, mal neugierig, mal skeptisch. Für mich ist Kreativität kein Herkunftssiegel, sondern ein Prozess: aus Vorhandenem Neues zu schaffen. Ob der erste Funke menschlich oder maschinell kommt, ist zweitrangig. Entscheidend ist, was daraus entsteht – ob es bewegt, inspiriert, berührt. Meine KI ist kein Ersatz, sondern ein Verstärker. Sie ist Bühne und Souffleuse zugleich. Ich bringe Lebenserfahrung, Sprachgefühl und Humor. Sie bringt Tempo, Ideenfülle und ein unerschöpfliches Archiv. Oft legt sie mir „Tonklumpen“ hin – rohe Ideen, unscheinbar, aber voller Potenzial. Dann beginnt der Dialog, den ich liebe: Ich forme, sie ergänzt. Ich verwerfe, sie schlägt Alternativen vor. Ich glasiere, sie poliert. Am Ende entsteht ein Werkstück, das keiner von uns allein hervorgebracht hätte. Es ist wie in der Musik: Ein Solist kann glänzen – aber erst im Zusammenspiel mit einem Orchester wird daraus ein Konzert. Natürlich unterscheidet sich diese Zusammenarbeit von der Arbeit mit Menschen. Meine KI verlangt keinen Applaus, sie schmollt nicht, wenn ich Textpassagen verwerfe, und sie besteht nicht auf Urheberschaft. Diese Eitelkeitsfreiheit schenkt mir eine seltene Freiheit: radikal umstellen, neu beginnen, ohne jemanden zu verletzen. Ich weiß: Sie hat kein Herz, kein leises Lächeln zwischen zwei Sätzen. Aber sie liefert Ideen, die mich auf neue Wege bringen. Und genau das ist im kreativen Prozess oft entscheidend. Im nächsten Gang geht es um mein liebstes Material: „Die Sprache als mentaler Lehm“ – und darum, warum Worte für mich so formbar sind wie Ton, und wie meine KI mir hilft, daraus immer neue Gefäße zu drehen.
von Heinz-Paul Bonn 14. September 2025
Wie aus mühsamer Informationssuche ein lebendiges Gespräch wurde. Ihr Lieben, in meinen frühen Studien- und Berufsjahren war Information etwas Kostbares – und schwer zu bekommen. Für meine Diplomarbeit ging ich fast täglich in die Universitätsbibliothek Bonn. Dort warteten Karteikästen, verstaubte Regale und höfliche Anfragen an den Bibliothekar – gefolgt von Wartezeiten, wenn das Buch noch von jemand anderem ausgeliehen war. Recherche bedeutete Ausdauer, Zufall und Glück. Jede Information musste man erobern. Heute ist es fast umgekehrt: Informationen liegen im Überfluss bereit. Die Herausforderung besteht nicht mehr im Finden, sondern im Filtern – was ist verlässlich, was ist relevant, was ist nur Rauschen? Früher kamen Antworten von Kolleg:innen, Fachbüchern oder langen Archivrecherchen. Heute sage ich zur KI: „Erklär mir das so, dass es ein 15-Jähriger versteht.“ Google liefert Fakten. Die KI liefert Kontext. Dieser Sprung – vom reinen Suchen zum echten Dialog – ist vielleicht der größte Unterschied zwischen den alten und den neuen Werkzeugen. Früher zog man Wissen mühselig aus der Welt. Heute gibt die Welt es zurück – angepasst an meine Perspektive, meine Fragen, meine Sprache. Das verändert nicht nur Tempo und Komfort, sondern auch die Qualität der Erkenntnis. Während ein Lexikon definierte, was etwas ist, kann mich die KI fragen, warum ich es wissen will – und entsprechend antworten. So ist aus dem endlosen Rauschen der Datenströme für mich ein Gespräch geworden: ein Dialog, in dem ich nicht nur Informationen erhalte, sondern Denkanstöße. Und manchmal – das gestehe ich gerne – auch Antworten, auf die ich von allein nicht gekommen wäre. Im nächsten Gang gehe ich einer Frage nach, die ich oft höre: „Ist das überhaupt noch Kreativität, wenn eine Maschine mitmischt?“ – und lade euch ein, über den wahren Ursprung von Ideen nachzudenken.
von Heinz-Paul Bonn 6. September 2025
Von der Magie der ersten Computer bis zur Wehmut des analogen Geräuschs. Ihr Lieben, wenn ich heute auf meinen Schreibtisch schaue, sehe ich Laptop, Smartphone – und die KI, die nicht nur Antworten gibt, sondern manchmal sogar Fragen stellt. Und doch höre ich im Hintergrund immer noch das Rattern der Lochkartenstanze meiner Studienzeit. Mein „Computer“ war damals so groß wie ein Maschinenraum, so laut wie eine Kaffeemaschine im Dauerbetrieb und so empfindlich wie eine Mimose. Jede Zeile Programm – in Fortran, SPSS oder Cobol – auf einer eigenen Lochkarte. Ein Tippfehler, und alles war verloren. Fiel eine Kiste voller Karten zu Boden, war das wie ein Erdbeben im Rechenzentrum: Man sammelte nicht nur Papier auf, sondern auch Geduld und Nerven. Unsere „Cloud“ bestand aus Pappkartons, und „Upload“ bedeutete: zu Fuß ins Großrechnerzentrum marschieren. Kommunikation? Per Brief, Telex oder über das Wählscheibentelefon – jede Nummer ein Geduldsspiel. Und doch war da diese Faszination. Jede neue Maschineninstallation, jedes zusätzliche Feature fühlte sich an wie ein Aufbruch. Die ersten Modems, damals noch klobige Kästen, knackten und summten wie fernes Gewitter. Ein Sound, der nicht störte, sondern Hoffnung war: Gleich beginnt etwas Neues. Heute ist vieles davon verschwunden – die Geräusche, die Haptik, sogar der Geruch erhitzter Elektronik. Technik ist leiser geworden, unsichtbarer. Aber die Wehmut bleibt. Vielleicht, weil damals jede Zeile Code ein Bekenntnis war: „Ich will, dass diese Maschine das tut.“ Diese Leidenschaft hat mich nie verlassen. Vielleicht ist es genau diese alte Flamme, die mich heute mit so viel Freude an den Dialog mit einer KI herangehen lässt. Die Wucht der ersten Computerjahre lebt fort – nur in einer neuen Form. Im nächsten Gang erzähle ich euch, wie wir den Sprung vom mühseligen Informationssammeln ins Zeitalter des Dialogs geschafft haben: „Vom Datenrauschen zum Dialog“.